Nach welchen Staaten greift Russland nach der Ukraine?

Nach welchen Staaten würde Russland greifen, wenn es sich der Ukraine bemächtigt hätte?

Warnungen aus Ministerien und Militärkreisen bezüglich eines drohenden NATO-Bündnisfalls und den sich daraus ergebenen Konsequenzen auf die Infrastruktur, nicht nur hinsichtlich Verkehr, sondern auch hinsichtlich IT oder Gesundheitsversorgung, werden in diesen Tagen gern mit „Quatsch! Das ist Kriegspropaganda!“ abgetan.

Das ist falsch. Hier wird über den VERTEIDIGUNGS-fall diskutiert. Das ist dann keine Kriegspropaganda, sondern Voraussicht.

Man sollte sich in den nächsten Tagen mit Putins Biografie und Entwicklung der letzten zwanzig Jahre beschäftigen. Wir haben es mit einem Geheimdienstinvolvierten zu tun, der sein politisches System spätestens seit seiner Amtszeit ab 2012 zu einer kalten Diktatur umgebaut hat, in der er Oppositionelle einsperrt, in der es keine freien Wahlen gibt und keinerlei Freiheitsrechte für Minderheiten.

Auch außenpolitisch wurde er zunehmend kälter. Er hat die Krim annektiert und die Ukraine scheibchenweise mit einem Krieg überzogen, ab 2022 dann mit voller Härte. Er hat andere Regionen rund um Russland mit Militäroperationen eingeschüchtert (Tschetschenien, Georgien). Er hat Syrien bombardieren lassen, um Flüchtlingswellen zu provozieren, die den Westen destabilisieren sollten.

Überhaupt scheint ihm der Kampf gegen den Westen ein besonderes Herzensanliegen zu sein, da er uns, ebenfalls seit 2014, mit hybriden Anschlägen traktiert. Er lässt Oppositionelle bei uns im Tiergarten ermorden. Er lanciert Anschläge auf Andersdenkende, vgl. Papperger/Rheinmetall und Skripal/London. Er veranlasst Cyber-Attacken, Sabotageakte und Brandanschläge gegen uns.

Seit 2022 läuft die Kriegswirtschaft und er stellt weitaus mehr Güter her, als er für einen Krieg in der Ukraine braucht. Wozu? Es wäre ein irrationales Minusgeschäft, wenn er das alles nicht verwenden wollen würde.

Es wäre naiv anzunehmen, dass er aufgrund von Diplomatie auf einmal sagen würde: „Ups, was ich in den letzten dreißig Jahren gedacht und aufgebaut habe, hat jetzt alles keinen Wert mehr, ich überlege es mir anders und ziehe mich zurück!“

Deutschland wäre im NATO-Bündnisfall, der bereits im September 2025 eintreten könnte, womit intern gerechnet wird, spätestens aber rund um das Ende der 2020er-Jahre erwartet wird, eine Drehscheibe für die europäischen NATO-Staaten und somit Ziel von Militärschlägen. Polen erwägt eine verpflichtende Militärausbildung aller (!) erwachsenen Männer. Die skandinavischen Länder bereiten ihre Bevölkerung auf eine Verteidigungssituation vor. Alles nur „Kriegspropaganda“?

Meines Erachtens kann das nur jemand sagen, der entweder nicht informiert oder naiv ist, oder aber, und das adressiere ich insbesondere an AfD-Sympathisanten, die mit dem normativen Westen noch nie was anfangen konnten und ein anderes System möchten.

Nach welchen Staaten würde Russland als nächstes greifen?

Ich habe in den vergangenen Wochen angefangen, große und kleine Meilensteine von Putins politischer Biografie zu studieren.

Wir wissen gesichert, dass Putin den Zerfall der Sowjetunion bedauert und in öffentlichen Reden geschichtsrevisionistisch agiert. Überdies wissen wir, dass er militärische Aggression als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele einsetzt.

Die Historiker Galia Ackerman und Stéphane Courtois schreiben in Schwarzbuch Putin:

Nachdem [Putin] die Opposition im eigenen Land beseitigt hatte und die US-Amerikaner auf chaotische Art und Weise im August 2021 aus Afghanistan abgezogen waren, [stellte er am 17. Dezember 2021 den USA] ein Ultimatum für ein neues Jalta – eine neue Machtverteilung in Europa –, durch die mit einem Federstrich die Auswirkungen des sowjetischen Zusammenbruchs 1991 aufgehoben worden wären und es in Russlands Hand gelegen hätte, erneut die Kontrolle über die inzwischen unabhängigen ehemaligen Sowjetrepubliken – die Ukraine, aber auch die baltischen Staaten und Moldau, entsprechend dem Beispiel von Belarus und Georgien – sowie über die ehemaligen ‚Volksdemokratien‘ zu gewinnen, insbesondere Ungarn, die Slowakei, Rumänien und Bulgarien, nicht zu vergessen die aus Ex-Jugoslawien hervorgegangenen Staaten. Das Ultimatum blieb unbeantwortet, da die Forderungen unerfüllbar waren, woraus nach Putins Logik folgte, dass nunmehr ein Krieg unausweichlich war.

Fällt die Ukraine, geht es weiter.

Das wirkt, Stand heute, weit weg, aber meiner bisherigen Einschätzung nach würden wir einem Angriff auf NATO nicht mit Verhandlungen oder Diplomatie begegnen können.

Einerseits ideell: Für Putin wäre ein solcher Angriff der letzte große Akt seines politischen, vielleicht auch seines ganzen Lebens. Ein Angriff auf NATO wäre der Beginn eines Alles-oder-nichts-Krieges und er würde sich von seiner Entscheidung nicht durch ein engagiert vorgetragenes und inhaltlich stichhaltiges Argument aus Brüssel abbringen lassen.

Andererseits praktisch: Was sollte Gegenstand dieser diplomatischen Bemühung sein? Was wäre das Angebot? Wir opfern Menschen, Kultur und Wirtschaft des Baltikums und des östlichen Polens – und hoffen, dass dann Schluss wäre?

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